Durchsuchung und Beschlagnahme beim Steuerberater – Handlungsleitfaden

Durchsuchung und Beschlagnahme beim Steuerberater – Handlungsleitfaden

Am 27.11.2011, gepostet von:

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Im Rahmen von steuerrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Mandanten erscheinen immer wieder Beamte der Steuerfahndung in Steuerkanzleien, um Steuerunterlagen der Mandanten zu durchsuchen und sicherzustellen. Der folgende Leitfaden soll eine Orientierung bieten, wie sowohl die rechtlich geschützten Interessen des betroffenen Mandanten gewahrt bleiben als auch die Einhaltung der berufsrechtlichen Verpflichtungen des Steuerberaters gewährleistet sind. Der Leitfaden ist nach den zeitlichen Phasen der Durchsuchung und Beschlagnahme aufgebaut.

A. Die Steuerfahndung in der Tür

1. Freundlichkeit und Kooperation

Je freundlicher und kooperativer Sie sind, umso schneller ist die Durchsuchung und Beschlagnahme beendet. Bieten Sie Getränke an. Stellen Sie von vornherein einen Raum zur Verfügung (sofern vorhanden), in welchem die von der Durchsuchung betroffenen Akten gesichtet werden können. So vermeiden Sie, dass die Durchsuchung in Räumen mit laufendem Mandantenverkehr erfolgt und Aufmerksamkeit erregt.

2. Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses / Name des Einsatzleiters

Lassen Sie sich den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts – zumindest in Kopie – aushändigen. Nur in Ausnahmefällen – sog. Gefahr im Verzug – liegt eine alleinige Anordnung der Staatsanwaltschaft bzw. Steuerfahndung vor. Erbitten Sie die Visitenkarte des Einsatzleiters. Ersatzweise notieren Sie sich den Namen, Dienstbezeichnung und telefonische Erreichbarkeit. Der Dienstausweis sollte in der Regel nicht verlangt werden, da dies der Sache nicht zuträglich ist und die Atmosphäre „vergiftet“.

3. Benachrichtigung weiterer Stellen und Personen

Informieren Sie telefonisch sofort den Mandanten von den hoheitlichen Maßnahmen. Telefonate zur Unterrichtung des Mandanten dürfen durch die Steuerfahndung nicht verhindert werden. Ist der Steuerberater gerade nicht vor Ort, so ist dieser unverzüglich zu unterrichten. Bitten Sie die Steuer-fahndung, das Eintreffen des Steuerberaters vor Fortführung der Durchsuchungsmaßnahmen abzuwarten.

B. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmesituation

1. Mitwirkung bei der Durchsuchung der Steuerunterlagen / Datenbestände

Suchen Sie für die Beamten der Steuerfahndung die Steuerunterlagen heraus, die im Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss als mögliche Beweismittel bezeichnet sind. Suchen Sie die relevanten Datenbestände in der EDV heraus, soweit diese von Ihnen angefordert werden. Durch Ihre Mithilfe bei der Suche können Zufallsfunde vermieden werden. Achten Sie auf eventuelle Beschränkungen des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses. Bezieht sich der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss z.B. nur auf Aktenordner bestimmter Wirtschaftsjahre, so sind (vorerst) nur diese vorzulegen. Werden auch die Aktenordner anderer Wirtschaftsjahre verlangt, ist dem nachzukommen, allerdings erst nach förmlichem Widerspruch. Der Widerspruch ist im Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokoll gesondert festzuhalten.

2. Hinweis der Steuerfahndung auf beschlagnahmefreie Unterlagen

Beschlagnahmefreie Unterlagen dürfen von den Beamten der Steuerfahndung grundsätzlich nicht „gelesen“ werden. Allenfalls ein Durchblättern zur Feststellung der Beschlagnahmefähigkeit ist erlaubt. Weisen Sie die Beamten der Steuerfahndung auf die Beschlagnahmefreiheit von Unterlagen hin. Beschlagnahmefrei sind folgende Unterlagen:

– Schriftwechsel mit dem Mandant und Dritten im Rahmen der Beratungstätigkeit
– Aktenvermerke des Steuerberaters über Telefonate und Beratungsgespräche
– Arbeitsergebnisse des Steuerberaters, die vom Mandanten noch nicht genehmigt sind, so beispielsweise Bilanzentwürfe
– Kopien von Geschäftspapieren, z.B. Kauf- und Kreditverträge
– Kopien gebuchter Belege, sofern mit handschriftlichen Notizen versehen
– Ergänzungen, Korrekturen oder Bearbeitungshinweise zur Erstellung des Jahresabschlusses

Dagegen sind beschlagnahmefähig:

– Buchhaltungsunterlagen und -belege,
– Verträge und sonstige Originalgeschäftspapiere, die zur Buchführung und Erstellung von Bilanzen erforderlich sind,
– Endgültige, vom Mandanten bereits gebilligte Bilanzen und Steuererklärungen nebst Anlagen.

Sollten beschlagnahmefreie Unterlagen trotzdem gelesen und beschlagnahmt werden, so widersprechen Sie im Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokoll gesondert dieser Maßnahme.

3. Begleitung der Durchsuchung von einem Mitarbeiter

Stellen Sie einen (oder mehrere) Mitarbeiter ab, der die Durchsuchungsmaßnahmen der Beamten der Steuerfahnder beobachtend begleitet. Der Mitarbeiter sollte nicht mit dem Mandat betraut sein.

4. Vernichtung von Unterlagen / Datenlöschung

Vernichten Sie niemals Unterlagen oder löschen Sie Daten, auch wenn Sie den Verdacht haben, dass der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden unwahre Angaben gemacht hat und Sie den Mandanten schützen wollen. Sie setzen sich selbst einer Strafverfolgung aus.

5. Schriftliche oder mündliche Aussagen zu dem Mandat

Treffen Sie weder eine schriftliche noch eine mündliche Aussage zu dem Mandat, auch wenn dies von den Beamten ausdrücklich gewünscht oder verlangt wird. Solange keine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch den Mandanten erfolgt, sind sämtliche Mitarbeiter der Steuerkanzlei berufsrechtlich verpflichtet, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO Gebrauch zu machen. Im Übrigen ist die Durchführung einer Zeugenvernehmung auch nicht von dem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gedeckt. Weisen Sie daraufhin, dass eine Zeugenvernehmung (nach Entbindung von der Schweigepflicht) in den nächsten Tagen auf Vorladung oder schriftlich nachgeholt werden kann.

6. Sicherstellungsverzeichnis / Niederschrift Durchsuchung und Beschlagnahme

Nach Abschluss der Durchsuchung wird von den Beamten ein sog. Sicherstellungsverzeichnis erstellt, auf welchem die sichergestellten Steuerunterlagen sowie Datenträger mit laufender Nummer aufgelistet sind. Überprüfen Sie jede einzelne Position auf Ihre Vollständigkeit und Richtigkeit. Soweit möglich, nummerieren Sie die Seiten der Steuerunterlagen. Fertigen Sie Kopien der sichergestellten Steuerunterlagen an. Lassen Sie sich eine Durchschrift des Sicherstellungsverzeichnisses aushändigen. Ferner wird eine Niederschrift über die Durchsuchung und Beschlagnahme angefertigt (Formblatt mit Textbausteinen). Widersprechen Sie grundsätzlich der freiwilligen Herausgabe der Steuerunterlagen sowie der Datenträger. Zeichnen Sie gesondert auf, ob das Verbot der Beschlagnahmefreiheit verletzt wurde und ob Steuerunterlagen gesichtet wurden, welche nicht im Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss aufgeführt sind.

C. Nach der Durchsuchung und Beschlagnahme

1. Dokumentation der Durchsuchung und Beschlagnahme

Fertigen Sie ein schriftliches Protokoll über den Ablauf der Durchsuchung und Beschlagnahme an. Nehmen Sie auf, welche Mitarbeiter bei der Durchsuchung und Beschlagnahme anwesend waren, notieren Sie die Dauer der Beschlagnahme und Durchsuchung und halten Sie fest, was Ihnen die Beamten über den Inhalt des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses hinaus erzählt haben.

2. Vereinbarung Mandantentermin

Vereinbaren Sie umgehend mit Ihrem Mandanten einen Beratungstermin. Klären Sie, inwieweit dessen Rechtsanwalt gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vorgehen soll. Besprechen Sie die Möglichkeit einer Selbstanzeige, sofern dies erforderlich ist.

Ergänzende Hinweise

Datum des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses

Ist der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss älter als 6 Monate, so ist dieser unwirksam. Dem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss ist sofort zu widersprechen. Wird die Durch-suchung trotzdem fortgeführt, ist darauf zu achten, dass der Widerspruch gesondert in das Durchsuchungsprotokoll mit aufgenommen wird.

Gefahr im Verzug

Liegt wegen „Gefahr im Verzug“ nur eine Anordnung der Staatsanwaltschaft bzw. Steuerfahndung vor, so ist nach den Gründen für die Eilbedürftigkeit der Durchsuchung und Beschlagnahme zu fragen.

Bestimmtheit des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses

Der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss darf keine Zweifel hinsichtlich des Umfangs und des Objekts der Beschlagnahme offen lassen, eine pauschale Anordnung a la „alle aufgefundenen Gegenstände als Beweismittel“ genügt nicht. Die Gegenstände der Beschlagnahme müssen konkret bezeichnet sein.

Durchsuchung gemäß § 102 StPO oder § 103 StPO

Zu unterscheiden ist die Durchsuchung beim Verdächtigen gemäß § 102 StPO von der Durchsuchung bei anderen Personen gemäß § 103 StPO. Bei einer Durchsuchung gemäß § 102 StPO ist der Steuerberater selbst einer Straftat beschuldigt, bei einer Durchsuchung gemäß § 103 StPO werden nur dessen Räume durchsucht. Im letzteren Fall ist der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss daraufhin zu untersuchen, ob die Verdachtsgründe für die Durchsuchung beim Steuerberater im Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss genannt sind.

Beschlagnahme der Unterlagen/Versiegelung

Beschlagnahmefreiheit gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO besteht nicht, wenn der Steuerberater selbst der Teilnahme, Begünstigung oder Strafvereitelung verdächtigt wird (Durchsuchung gemäß § 102 StPO). Beschlagnahmefreie Unterlagen sind an und für sich zu versiegeln. Dies verlangt jedoch für eine reibungslose Durchführung eine saubere Aktentrennung zwischen Steuer- und Handakte. Eine Versiegelung verläuft dergestalt, dass einzelne Schriftstücke in Briefumschläge gepackt und an den zuständigen Ermittlungsrichter adressiert werden. Ganze Aktenordner sind unter Beifügung eines amtlichen Siegels der Steuerfahndung zu verschließen und ebenfalls an das zuständige Amtsgericht mit der Aufschrift „Beschlagnahmefreie Unterlagen“ zu versenden. Werden die Unterlagen nicht versiegelt, ist der fehlenden Versiegelung im Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokoll gesondert zu widersprechen.

Der Artikel bietet allgemeine Rechtsinformationen und Handlungsempfehlungen. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Richtigkeit der Angaben und ersetzt auch keine Rechtsberatung. Nehmen Sie „im Fall der Fälle“ Kontakt zum Anwalt ihres Vertrauens auf.

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